
Katalog zur Ausstellung in der Akademie der Künste Berlin vom 15.3–26.5.13
Rezension von Dr. Dieta Sixt
Der originelle Katalog, dem man allerdings nicht auf der aktuellen Leipziger Buchmesse begegnen kann, verweist in seinem Titel weder auf große Literaturschätze noch trägt er einem Zeitgeist folgend zu einer Definitionsklärung der Begriffe Kunst und Kultur bei.
Kultur:Stadt ist dennoch ein einmaliges Zusammenspiel verschiedener Communities in Berlin, zunächst innerhalb der Akademie der Künste selbst, zumal dort erstmalig unterschiedliche Fachrichtungen gleichzeitig an einem globalen Projekt mitarbeiten. Die 37 ausgesuchten Architekturprojekte in der Welt sind der Fokus ihrer Anstrengungen. Denn im Sinne von Autor Richard Sennett handelt es sich bei den Communities im allgemeinen um Kooperationen von Partnern, die bei diesem Großprojekt mit ihrer Vielfalt bestechen. Die Akademie der Wissenschaften präsentiert die Ergebnisse nicht einer Disziplin, gleich vier Richtungen entwickeln eine Kulturtheorie, die sich über Monate hinweg, zunächst in Berlin, dann in Graz, zu bewahrheiten versucht.
Die Handlung ist eindeutig und durchaus der Architektur gewidmet, aber mit welcher Anzahl an Akteuren wird der Besucher des dreimonatigen Programms die Stadt als Palimpsest erleben, d.h. im Prozess der „Überschreibung“. Geht es hier nur um das Gelingen einer einzelnen Ausstellung, versuchen die Akteure, Kurator Matthias Sauerbruch und Herausgeber Wilfried Wang, mit ihren 37 Projekten, mit einem architektonischen Anspruch an „Massen und Reichtum“ andere und neue Publika anzusprechen?
Der Schwarm der Autoren, Filmschaffenden, Stadtbewohner, Kunst- und Kulturträger liefert Informationen zu Film, Musik, Architektur, zur Kultur. Man ahnt es geht um die Glaubwürdigkeit der zeitgenössischen Kunst, aber vor allem um dessen Zeitgeist. Studierende der Deutschen Film-und Fernsehakademie Berlin (DFFB) reisten zu 15 der 37 in der Ausstellung präsentierten Kulturbauten und drehten Kurzfilme, welche die Funktion und Wirkungsweise der Architektur und des Gebäudes auf die Menschen vor Ort ergründen. Dadurch entstand Kunst in der Kulturwelt.
Auf der Grundlage des Artikels von Wilfried Wang gibt Kultur:Stadt Antwort auf die Frage, welche eine selbstverständliche und unverzichtbare Aufgabe von Kulturschaffenden ist, oder ob ein Bau beispielsweise als Motor für „wirtschaftliche Erneuerung und kreatives Wachstum“ genutzt werden kann.
Radikal neue Verhältnisse werden leise angekündigt oder gar nicht. Dabei wird allerdings an einer an Cultural Studies und demokratischer, d.h. offener Städteplanung angelehnte theoretische Skizze der Kultur vorbeigerauscht; falls sich noch jemand für Toleranz und Bürgerrechte interessiert. Die neuen Kunstakteure halten sich kaum damit auf; die wohlhabenden neuen Eliten der Weltausstellung haben Kunst und Kultur als identitätsstiftend entdeckt.[1]
[1] Catrin Lorch, zum Thema Biennale im Emirat Sharjah, Süddeutsche Zeitung, 16./17.3.2013.