Stand der Forschung
Intermedialität bezieht sich auf interdisziplinäre Beziehungen in Bildender Kunst, Literatur, neuen Medien und Kommunikationswissenschaften, wobei nach Schröter mindestens zwei Medien verlinkt werden, allerdings begrenzt er den Begriff auf Disziplinen, z.B. Fotografie und Text, Film und Malerei. Anwendbar ist die von Schröter in seinem Essay "Discourses and Models of Intermediality" aufgezeigte Gattung der „transformierenden“ Intermedialität, die „Prozesse der Repräsentation“ aufzeigt, d.h. die Repräsentation eines Mediums durch ein anderes.[2] Vor Schröter stellte Helbig bereits 1998[3] das Problem dar. Ryser stellte eine umfassende Historie des Diskurses zusammen.[4] Grundsätzlich entsprang der Ansatz der Entwicklung neuer Medien wie Film und Digitalkunst, weshalb die vergleichende Forschung die Herkunft der Begrifflichkeit bisher nicht auf die Intermedialität zwischen den Genres der bildenden Kunst untersuchte.
Ausgehend von der Limitation der Medien- und Literaturwissenschaftler Schröter, Ryser, und Helbig schlage ich die Ausweitung der Intermedialität innerhalb der Kunstwissenschaft vor. Dieser Ansatz wird auch von Bennett unterstützt: "…works embody […] a tendency in contemporary practice to operate between media (and between all kinds of semiotic codes). The old descriptors of ‘mixed media’ and ‘appropriation’ are inadequate in the characterization of such practice, which is more readily captured by the concept of ‘intermedia’ – a term which implies more than the internal differentiation or mixing of media that occurs within art itself. Realized as the intersection of different practices, technologies, languages and sign systems, intermediality posits a broad transdisciplinary sphere of operation."[5] Wie Bennett bereits andeutet, bietet eine Erweiterung der Intermedialität auf die Kunstgattungen beim Vergleich des Transfers bildlicher Inhalte neue Ansätze. Opies Œuvre kann repräsentativ als Fallbeispiel für die Intermedialität von Fotografie, Malerei, Skulptur und anderen Medien gelten.
Die intermediale Digitalkunst Julian Opies
Die abstrahierten Digitalgemälde von Julian Opie entstanden seit 1997 intermedial als Glaskunst, Lichtkunst und Skulpturen. In München installierte er 2001 in Zusammenarbeit mit Andreas Horlitz[6] und der Mayer’schen Hofkunstanstalt zwei Schmelzglas-Porträts im WWK Versicherungsgebäude (Abb. 1, 2). Die Floatglassarbeiten stehen in enger Verbindung mit Porträtserien (Abb. 3) aus der gleichen Schaffensperiode mit dem Unterschied, dass die Farbgebung der Auftragsarbeiten mit Weiß und Schwarz auf das Minimalste reduziert ist. Ursprünglich angesiedelt in der Pop Art, interpretiert Opie den Alltag in seiner ausschließlich digital basierten Kunst. Seine Computergrafiken sind zeitgenössische Interpretationen der Porträtkunst und Malerei, gut dokumentiert sowohl in Monografien des Künstlers als auch in Ausstellungskatalogen.[7] In Bezug auf die Intermedialität stellt Kliege zutreffend fest: „Ein einzelnes Motiv ist nicht mehr an einen Träger gebunden, sondern repräsentiert sich in allen möglichen Erscheinungsformen.“[8] Sie hält die Beobachtung fest, verfolgt die Sachlage der intermedialen Applikation aber nicht weiter.
Über sein bisher einziges deutsches Auftragswerk in Glas hinaus begann Opie seine LED-Installationen zu entwickeln, die sich ebenfalls auf die Konturen eines „Porträtierten“ beschränken und damit leicht übertragbar sind. Mit der LED-Kunst weitet Opie sein Repertoire weiter aus und bekräftigt seine Stellung als intermedial arbeitender Künstler. Seine tanzende Ann Dancing (Abb. 4) im Kulturviertel von Indianapolis wurde 2007 entlang des Indianapolis Cultural Trail platziert. Mit dem einfachen Mittel eines Bewegungsablaufs belebt diese in der Lichtkunst anzusiedelnde Animation den öffentlichen Raum sehr eindrucksvoll.
Zwei weitere Zyklen Opies stehen in intermedialer Beziehung zu den Lichtinstallationen. Die Skulpturengruppe Caterina dancing naked (Abb. 5) steht in direktem Bezug zu der LED-Animation Ann Dancing, wobei die verschiedenen Rahmen der Animation als Serie von Einzelfiguren in Form von großen Metallarbeiten verwirklicht, ausgestellt von der Lisson Gallery in London 2012. Ein weiteres Beispiel bietet Aniela Bathing 1 von 2013 (Abb. 6). Dabei handelt es sich zum einen Siebdrucke auf grundiertem Holz, die identisch mit verschiedenen Materialen in unterschiedlicher Größe realisiert wurden. Das Werk existiert als kleinformatiger Siebdruck von 50 mal 50 Zentimeter auf bemalter Holztafel sowie als auf Holzrahmen aufgezogenes Vinyl mit den Maßen 220 mal 100 Zentimeter.
Die vielfältige Materialität der Arbeiten Opies sind ein direktes Produkt des Digitalzeitalters, da mit Hilfe des “Originals” in Form einer Datei viele Produktionsmethoden eingesetzt werden können. Dabei verbleibt die Datei im Besitz des Künstlers, der sich per Vertrag verpflichtet wie viele mit der Datei realisierten Objekte jeweils existieren sollen. Die Kunst wird zum virtuellen Konstrukt. Zum intermedialen Ansatz der Skulpturen äußert sich Opie: "The trained movements of a ballerina allow me to find unlikely and perfectly balanced poses. By extruding the drawings in metal the images can be both signs on bollards and statues on plinths."[9] Der öffentliche Raum, zusammen mit dem privaten Kunstmarkt, bieten immer neue Möglichkeiten der Gestaltung, ein Umstand, der die digitale, kreative und intermediale Entwicklung der Künstler vorantreibt.
Bei Opie findet eine interaktive Wechselwirkung zwischen eigenständiger Arbeit im Atelier und Auftragskunst statt. Die Frage von Beziehungsgeflechten begleiten Überschneidungen zwischen ‚traditionellen’ Kunstgattungen (Malerei, Skulptur, etc.) und der Kunst im öffentlichen Raum. Opie arbeitet zeichnerisch und malerisch ausschließlich mit digitalen Anwendungen. Dabei findet ein fortwährender, intermedialer Dialog und Austausch zu grundsätzlichen Fragestellungen der Kunst und insbesondere deren Beziehung zur technischen und wissenschaftlichen Evolutionen statt.
Anmerkungen
[1] Jens Schröter, "Discourses and Models of Intermediality," Comparative Literature and Culture 13, no. 3 (2011). 6.
[2] Siehe ibid. 1.
[3] ———, ed. Intermedialität - Analog/Digital: Theorien, Methoden, Analysen (München: Fink, 2008).
[4] Vera Ryser, "Intermedialität," in Transdisziplinarität: Eine Bestandsaufnahme des Forschungsdiskurses (Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK), Departement für Kulturanalysen und Vermittlung, 2011). blog.zhdk.ch/trans/intermedialitat
[5] Jill Bennett, "Aesthetics of Intermediality," Art History Vol. 30, no. 3 (Jun. 2007). 434.
[6] Andreas Horlitz (geb. 1955, Grafik, Fotografie und Glasmalerei, lebt und arbeitet in Berlin und München.
[7] Siehe die Veröffentlichungen und Ausstellungskataloge:
Julian Opie: Daniel – Yes, Christine - No. München: Lenbachhaus, 1999.
Julian Opie. Julian Opie: Wallpaper, 2002. Kunst und Texte inspiriert von einem Bali-Urlaub mit Frau und Tochter.
Kliege, Melitta. Julian Opie. Nürnberg: Verlag für moderne Kunst, 2003. (Ausst.Kat. Neues Museum).
Peter Noever (Hrsg.): Julian Opie: 1958 - recent works [Publikation anlässlich der Ausstellung „Julian Opie. Recent Works“, Museum für angewandte Kunst, MAK Wien, 11. Juni - 21. September 2008]. Ostfildern: Hatje Cantz, 2008.
[8] Kliege, Julian Opie. Museum für Neue Kunst, Nürnberg, 147.
[9] "Julian Opie: Top Five," Dazed Digial. 2012.